Holly Golightly

#79
Panama-Kanal

Go East To Go West!

  • Reisegeschichten

Für uns geht es gefühlt weiter Richtung Westen. Wir überqueren jetzt mal eben einen ganzen Kontinent und das - man glaubt es nicht so recht - in östlicher Richtung! Der berühmte Kanal, den wir befahren, wurde vor über 100 Jahren aus dem Stein gehauen und gehört zu den beeindruckendsten Bauwerken, die je von Menschenhand errichtet wurde.

Doch der Reihe nach: Nachdem sich Holly Golightly für den weiteren Verlauf der Reise frischgemacht hat, muss noch eine latente Antriebsschwäche der Dame beseitigt werden: Ihr Propeller hat schlapp gemacht! Eigentlich dreht er sich ganz elegant und unauffällig unter Hollys Rumpf – wäre da nicht das „Vorwärts ist das neue Rückwärts-Problem“, dass uns nun schon seit Madeira begleitet. Wen dieses sehr spezielle Problem interessiert, dem sei der kleine Artikel mit der gleichlautenden Headline empfohlen.

Nachdem der neue Propeller nun unter dem Rumpf glänzt gehts für Holly zurück ins warme Karibikwasser.

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Freds neuer Lieblingsplatz!
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Face to face mit dem Faultier

Ein, zwei Tage später geht für Mareike ein Traum in Erfüllung. Sie sieht sich, völlig unerwartet, quasi Face to Face einem Faultier gegenüber! Damit ist nicht der Skipper gemeint sondern ein echtes kleines „Sloth“, das plötzlich neben uns in den Mangroven hängt während wir mit unserem Dinghi auf dem Rückweg von einem wunderbaren Badeplatz in den Mangroven sind. Das kleine Sloth ist ein wenig erschrocken als wir direkt neben ihm auftauchen während es wohl gerade ein kleines Bad nimmt. Umgehend ergreift es die Flucht, was artbedingt ein recht langsamer Vorgang ist. So haben wir genügend Zeit ein paar schöne Fotos und Videos von dem temperamentvollen Gesellen zu machen.

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Man, sind die dick! Große Pötte in der Warteschleife

Am 6. Februar verlassen wir endgültig die Panamarina und segeln bei bestem Wetter zur Einfahrt des Panama-Kanals. Auf den letzten Seemeilen gehts Zickzack durch die dicken Pötte, die dort aufgrund des Wassermangels im Kanal geduldig auf ihren Termin zur Durchfahrt warten müssen.

Wir ankern kurz vor der Shelterbay-Marina, beschließen dann aber doch, lieber sicher am Steg in der Marina zu liegen, da es „draußen“ in dem riesigen „Breakwater“ doch zu unruhig ist.

Die große, teure aber komfortable (Pool!) Marina wird für uns das Basiscamp in Sachen „Go East“. Hier bekommen wir von unserem  sehr netten Kanal-Agenten „Rogelio“ die riesigen Fender und die viel zu dicken Leinen, welche für das Schleusen im Kanal vorgeschrieben sind. Rogelio hat für uns den bürokratischen Teil der Kanal-Passage übernommen und zwar höchst freundlich und professionell! Da fast alle Segler und Seglerinnen in der Marina den gleichen Plan haben, gibt es natürlich einen regen Erfahrungsaustausch untereinander, wie man die kleinen und großen Hürden überwinden kann.

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Hollys dicke Dinger ;-)
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Unser Team ist das beste!

Für die Kanalpassage vorgeschrieben sind beispielsweise vier „Linehandler“. Ihre Aufgabe ist die Führung des Bootes mit Hilfe der dicken, 40m langen Leinen – ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Diese Leinen-Profis kann man buchen oder aber Freunde oder andere Segler um Hilfe bitten. Wir haben uns schon lange vorher für Lösung B entschieden und die tollste freiwillige Crew der Welt angeheuert.

Die Stammcrew Franz und Mareike ergänzen Genaro (Mexico), Anna (Belgien), Carl (Deutschland) und Stefan (Panama).

Genaro, der tatsächlich extra aus Mexico anreist, wird uns übrigens auch auf dem Pazific begleiten. Anna haben wir in der Panamarina kennengelernt und Carl hat uns schon auf der Überfahrt von Curaçao nach Kolumbien begleitet. Alle drei sind supernett und freuen sich total auf die Kanalpassage.

Stefan ist schon in der Panamarina zugestiegen und unterscheidet sich ein wenig vom Rest der Besatzung. Leinen und Fender sind nicht so sein Ding – eher kleine Spinnen und anderes Ungeziefer. Seinen Job als Kammerjäger erledigt unser kleinstes Crewmitglied aus der Familie der Gekkos allerdings sehr zuverlässig. Abends macht er auch regelmäßig lustige Geräusche, die ein wenig an Vogelzwitschern erinnern!

Am 15. Feb. soll unsere Kanalpassage sein und ab dem 13. Feb. sind wir zu sechst an Bord (incl. Steffan!). Da Holly genau fünf Kojen hat und Steffan meist draußen nächtigt, gestaltet sich das alles gar nicht so eng wie man denkt!

Die Zeit vor der Passage nutzt Mareike noch für einen Großeinkauf in einem Einkaufszentrum auf der anderen Seite des Kanals. Praktischer Weise gibt es einen kostenlosen Shuttlebus dorthin. Mareike kauft so viel, dass sie mit ihrer Beute in einem kleinen Laster kostenlos zurück zur Marina gebracht wird. Der Skipper ist beim Anblick des Kleinlasters dann doch erst mal ein wenig geschockt!

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Mareikes neuer „Einkaufswagen“!
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Lang, länger, unser Kassenzettel.

Die Frage der Proviantierung ist insgesamt nicht so einfach zu lösen. Wie viel muss man einkaufen um drei Seefahrer:innen 4000 sm lang satt zu bekommen? Und wieviel davon hält wie lange? Und was kann man auch bei viel Geschaukel und großen Wellen noch wie zubereiten?

Gott sei Dank haben wir ja schon den Atlantik hinter uns gebracht und Mareike hat daher schon viel Erfahrung gesammelt.

Nach dieser ersten Einkaufstour (viele weiter werden folgen) sind es erstmal vier Schubkarren voller Lebensmittel, die verstaut werden wollen. Dazu kommt noch das Essen, welches für den „Advisor“ vorgeschrieben ist, der uns während der Kanalpassage begleiten wird. Kurioserweise muss diese Essen unbedingt Fleisch enthalten!

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Mareike ganz unten …
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… Franz ganz oben!

Für die Passage gibt es zwei Optionen: An einem oder an zwei Tagen. Wir hoffen auf die Zwei-Tages-Variante, da man bei dieser mitten auf dem Gatunsee übernachtet. Wir haben riesiges Glück: Unser Termin wird um einen Tag nach hinten geschoben und so rutschen wir auf einen Slot, der eine zweitägige Durchfahrt beinhaltet!

So tuckern wir also am 15.2. um 13:00 aus der Marina und warten brav am angegebenen Treffpunkt auf unseren Advisor. Nach einer weiteren, nur einstündigen Verschiebung, die hier wirklich völlig normal ist, nähert sich ein Lotsenboot und bringt Riccardo zu uns an Bord. Riccardo ist uns von Anfang an total sympathisch! Extrem entspannt erklärt er uns wie wir rübermachen werden. Für uns ultraentspannend ist die Tatsache, dass wir im Dreierpäckchen durch die Schleusen gehen werden. Und noch ultraentspannender ist der Umstand, dass die fetten Leinen, die das Dreierpäckchen aus Yachten  in der Mitte halten sollen, ausschließlich an einem in der Mitte liegenden Katamaran fest gemacht werden sollen. Das bedeutet: Wir müssen uns nur um das Festmachen an dem Katamaran kümmern und unsere Linehandler haben frei und können die Durchfahrt genießen!

Mareike muss sich natürlich trotzdem um die Verpflegung der ganzen Truppe kümmern und Franz, der immer ganz wichtig von Ricardo mit „Captain“ angesprochen wird, muss mit gezielten Gasstößen in den Schleusen das Dreierpaket auf Kurs halten und allerlei Manöver fahren, um immer wieder an unserem „Mutterschiff“, einem französischen Edelkatamaran der Marke Outremer an- und abzulegen. Das Carbon-Geschoss heißt „Five“ und der Name beschreibt ganz treffend, dass der Skipper seine Nase ca. fünf mal so hoch trägt, wie die anderen Segler und Seglerinnen um ihn herum.

Die ersten Schleusenkammern sind völlig surreal. Plötzlich sind wir drin und direkt vor uns klemmt ein fetter Gas-Frachter zwischen den hohen Mauern. Nachdem sich die gewaltigen Schleusentore hinter unserer Dreierbande geschlossen haben, beginnt dann unaufhaltsam der Aufstieg. Was Eintracht Braunschweig so garnicht gelingen will, geht hier sicher von statten. Gewaltige Elektroloks ziehen das Dickschiff vor uns von Kammer zu Kammer und unser Dreierpäckchen motort immer in sicherem Abstand hinterher. Fließt das Wasser in die Kammer halten die vier professionellen Linehandler des Katamaran unsere Dreierbande immer sicher in der Mitte.

Drei Kammern später haben wir es geschafft – wir sind oben! 26m höher als der Atlantik können wir nun endlich über den amerikanischen Kontinent rübermachen. Der künstlich aufgestaute Gatunsee, ……. ist unser Liegeplatz für die kommende Nacht – exklusiver  kann man eigentlich kaum übernachten. Nur 85 km breit ist hier der Kontinent! Sicher vertäut an einer gewaltigen Boje verbringen wir einen tollen Abend mit bester Stimmung an Bord!

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Die Festmacher- und Turntonne im Gatunsee
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Am nächsten Morgen gehts mit der üblichen Verspätung von einer Stunde weiter. 25 sm quer über den See liegen vor uns. Landschaft und Natur sind beeindruckend, ab und an sonnt sich ein Krokodil am Kanalrand und eine bunte Vogelwelt begleitet uns rüber zum Pacific.

Kurz vor der Pedro Miguel-Schleuse (auf der Pacific-Seite gibt es zwei Schleusenblöcke) wird das Dreierpäckchen von gestern wieder vereint. Der hochnäsige Katamaran-Skipper ist immer noch schlecht drauf – aber wen kümmert es, bei den anderen Booten ist die Stimmung bestens! Zum Schluss kommen die Miraflores-Schleusen hinter denen tatsächlich der Pacific wartet! Während Holly Golightly sich unaufhaltsam dem nächsten Ozean nähert, sorgt Mareike wieder für die angemessene weltweite Übertragung dieses Ereignisses. Per WhatsApp-Videotelefonie sind Freunde und Verwandte zugeschaltet und wir freuen uns riesig über das Interesse!!!

Als sich das letzte riesige Schleusentor öffnet sind wir total gerührt – wir haben es doch tatsächlich bis in den Pacific geschafft – dabei wollten wir doch nur bis Cuxhaven :-)

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Vor uns quetscht sich die „Schwyz“ durch die Kammer …
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… hinter uns die „Sunrise Queen“
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Ricardo, unser Advisor – im Hauptberuf Schlepperkapitän
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Genaro gibt den Steuermann
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Superstarken E-Loks ziehen die Dickschiffe durch die Schleusen
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Wir werden von Hand geleitet!

Kurz vor Sonnenuntergang queren wir die „Bridge of America“ auf der die berühmte Panamericana den Kanal überquert und werden dann von Ricardo, der wirklich einen tollen Job gemacht hat, verlassen. Schon im Dunkeln legen wir in der „Flamenco-Marina“ vor Panama-City an und sinken wenig später erschöpft in die Kojen – wir sind drüben!!

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Auf gehts, das Tor zum Pacific
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Die berühmte „Bridge of America“
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