Der Weg war das Ziel – wo Pablo Escobar Urlaub machte
Auf der zu den Islas del Rosarios gehörenden Isla Grande kann man es sich als Tourist gut gehen lassen. Es gibt ein paar Hotels zu denen die Gäste per Boot gebracht werden und die sich auf der Seeseite offen und teilweise luxuriös präsentieren.
Insbesondere der Bora Bora Beach Club ist das Ziel etlicher Tagestouristen, die von Cartagena per Motorboot kommen. Sie werden dort von in schicken, ganz in weiß gekleideten Columbianern mit Strohhüten empfangen. Bei jeder Ankunft eines der Boote stellen sie sich in eine langen Reihe auf und rufen im Chor „Uno, dos, tres: Bienvenido!“ – Was für ein Theater!
Danach quellen die hübschen und leicht bekleideten Damen mit ihren Begleitern an Land und lassen sich im Club in schneeweiße Himmelbetten fallen, die unter freiem Himmel aufgestellt sind. Bei Bedarf können die Vorhänge geschlossen werden und neugierige Blicke bleiben draußen. Es gibt sicherlich leckeres Essen und das eine oder andere Getränk. Dem Zustand der Passagiere nach zu urteilen, die wir in Cartagena wieder haben ankommen sehen, ist der Alkoholkonsum nicht ganz unerheblich.
Wir wollen natürlich auch an Land! Uns ist zu Ohren gekommen, dass kein geringerer als Pablo Escobar seine freie Zeit gerne auf der Isla Grande verbracht hat und dort ein Ferienhaus hatte. Das möchten wir uns natürlich ansehen!
Die Vorstellung, Fred zwischen den PS-starken Motorbooten ganz allein zu lassen, erscheint uns suboptimal und so rudern wir am Bora Bora Club vorbei und suchen einen anderen Steg. Gar nicht so einfach. Es gibt keinen Strand auf den wir unser Bötchen ziehen könnten und der einzige, eher öffentlich wirkende Steg ist mit lauter Taxibooten blockiert. Also rudert der mutige Skipper zu der Badestelle einer kleinen Hotelanlage. Dort gibt es aber nur einen Beton-Steg. Zu diesen haben wir ein eher schlechtes Verhältnis, weil sie Fred binnen kürzester Zeit immer an allen Ecken und Rundungen von seinem schönen Lack befreien. Nachdem der entspannt an der Bar lehnende Señor der Security uns erlaubt hat zu bleiben, bindet Franz unseren kleinen Fred kurzerhand sicher zwischen den zwei Stützpfeilern unter der Wasserrutsche fest und watet von dort an Land. Das badende Hotelpublikum staunt, der freundliche Aufseher schmunzelt und wir schlendern los.
Aus der Hotelanlage hinaus zu kommen ist gar nicht so einfach. Vergeblich suchen wir einen Ein-bzw. Ausgang, wie man das so kennt. So etwas gibt es jedoch nicht, die Gäste werden ja alle auf dem Wasserweg „angeliefert“ und ein Inselrundgang scheint für die wenigsten auf dem Programm zu stehen. Schließlich zeigt uns ein Mitarbeiter eine kleine unscheinbare Tür in der das Hotel umgebenden Mauer und wir können raus.
Auf der anderen Seite steht man dann etwas sprachlos auf einem kleinen Sandweg und schaut verwundert auf diese Festung. Dass die Tür außen gar keinen Griff hat irritiert uns auch ein wenig, aber wir wollen jetzt noch nicht darüber nachdenken, wie wir später wieder reinkommen.

Der Weg schlängelt sich durch eine trotz Buschwerk und Bäumen eher trocken anmutende Landschaft. Mit ein wenig Unterstützung von einem freundlichen Herrn – der gerade von der Arbeit aus dem … na klar: Bora Bora Beach Club kommt – finden wir schließlich das kleine Dorf der Insel.
„Klein aber Oho“ findet sich dort alles, was man in einem Kolumbianischen Dorf erwartet: Eineinhalb Lädchen für die grundlegenden Bedürfnisse, in jedem zweiten Haus eine Art Bar und am allerwichtigsten: Hohe Boxentürme, aus denen so brüll-laut Latino-Musik erschallt, dass jegliche Unterhaltung im Keim erstickt wird.
Im Interesse unserer Ohren entscheiden wir uns gegen einen längeren Aufenthalt in einem der netten Etablissements (obwohl das kalte Bier schon ein bisschen lockt) – auch weil wir unbedingt noch Pablo Escobars Ferien-Domiziel sehen wollen. So laufen wir auf diversen Pfaden zickzack, ohne so ganz genau zu wissen, wo das Häuschen sein könnte. Wir treffen am Wegesrand auf einen Mann, der dort in aller Ruhe an einem Seepferdchen schnitzt. Anscheinend sieht man uns an, dass wir ein wenig auf der Suche sind. Nachdem wir mit unseren homöopathischen Spanisch-Kenntnissen und der Unterstützung vom Google-Translator erklärt haben, was das Ziel unserer Träume ist, „verpflichtet“ er drei zufällig des Weges kommende junge Familienmitglieder, uns den Weg zu zeigen.

Los geht´s! Anfangs sind wir alle fünf noch etwas genant, aber schließlich überwiegt die Neugier. Mareike zückt ihr Handy, um die Unterhaltung mittels der bereits erwähnten Übersetzungs-App in Schwung zu bringen und die Älteste der drei tippt ebenfalls munter Fragen in Mareikes iPhone. Nachdem wir erklärt haben, dass wir mit dem Boot aus Deutschland gekommen sind, sollen wir Fotos von Holly zeigen. Bei jedem Bild wollen unsere Tour-Guides wissen, wo es aufgenommen wurde und schließlich zoomen wir auf Google-Maps von Europa zu den Kapverden, über den Atlantik, in die Karibik und bis nach Kolumbien. Mareike bekommt ihr Handy nicht mehr zurück, stattdessen werden nun die vorhandenen Apps getestet und schließlich jede Menge Selfies gemacht.




Franz´ Handy hat ohne Gegenwehr schon deutlich früher „den Besitzer gewechselt“. So laufen wir vergnügt, staunend und ein wenig sprachlos neben diesen drei sweeten Jugendlichen her, die in einem fort Selfies und Videos machen. Wir haben viel Spaß - alle fünf. Als Pablo Escobars imposantes Anwesen schließlich hinter ein paar Bäumen zu erspähen ist, stellen sich uns ein paar noch imposantere Männer in den Weg und machen deutlich, dass ein Weitergehen nicht erwünscht ist. Sie tun das recht eindrücklich und wir haben spontan das sichere Gefühl, dass Nachfragen oder gar ein wenig Rumdrängeln keine gute Idee ist.




So kehren wir um. Wer muss schon Pablo Escobars Villa sehen, wenn man die netteste Begleitung der Welt hatte?
Zum Abschluss spendiert der Skipper eine Cola für alle. Am liebsten hätten die drei noch unsere Holly besichtigt, aber da der Himmel unterdessen eine recht bedrohlich dunkle Farbe angenommen hat, entscheiden wir uns zügig zu zweit nach Hause zu rudern.




Schön war es auf eurer Insel!