Holly Golightly

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Wir sind Mareike und Franz. 2022 haben wir uns mit unser Yacht Holly Goligthly auf den Weg gemacht, um die Welt zu entdecken.

#58
Grenada

Ein "Hash-Tag" oder Drinkers with a running-problem

  • Reisegeschichten

Immer wieder Samstags zieht es in Deutschland und Grenada größere Gruppen von Menschen aller Altersstufen und Geschlechter an bestimmten Orten zusammen. In Deutschland ist dann Fußballzeit und hier und da rennen 22 Menschen einem Ball hinterher und der Rest der Menge verfolgt gebannt das Treiben auf dem grünen Rasen. In Grenada rennt die gesamte Menge an Menschen ohne einen einzigen Ball über grüne Rasen, durch dichte Wälder und entlang schöner Bäche – es ist Hash-Tag, was auf deutsch so viel bedeutet, wie Zeit für eine Schnitzeljagt. Dieser Nationalsport wird mit großer Begeisterung betrieben und ist für Gäste der schönen Insel die Gelegenheit, Grenada und die Einheimischen so richtig kennen zu lernen.

Somit macht sich auch die Holly-Crew in Shademans magischem Toyota-Bus auf die Reise zur samstäglichen Hash. Die Ausrüstung für das kleine Abenteuer hält sich in Grenzen: Feste Schuhe, Regenjacke, Getränke - mehr braucht es nicht. Nach ca. 45 minütiger Anfahrt treffen wir auf einem großen Parkplatz auf viele andere Schnitzeljäger und Jägerinnen. Stände für Getränke und Verpflegung sind aufgebaut und ein erstes Ritual sorgt für eine Menge Gaudi: Alle Teilhaber des Hash mit neuen Schuhen, müssen diese erst mal mit Bier befüllen und leer trinken. Unter großem Hallo und Beifall wird also genau dieses wichtige Ritual erledigt bevor es dann endgültig auf die Piste geht.

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Bitte randvoll und dann ...
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... Schuh auf ex!
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Da staunt der Nachwuchs – Erwachsene sind seltsam!!!

Der Slogan der gesamten „Bewegung“ erklärt recht nachvollziehbar warum vor und nach dem Hash gerne ein Bierchen gezischt wird: Drinkers with a Running-Problem!

Der Veranstalter der Hash wechselt übrigens von Wochenende zu Wochenende. Und zu der einen oder anderen Hash gibt es ein exklusives, mehr oder weniger geschmackvoll gestaltetes T-shirt des jeweiligen Ausrichters.

Auf ein Zeichen hin setzt sich die hoch motivierte Truppe in Bewegung. Ca. 150 „Hasher:innen“ müssen sich erst mal durch ein kleines Tor quetschen, dann geht es eine Straße hinauf auf der sich schon die ersten Supersportler an die Spitze des Feldes setzen. Der größte Teil der Truppe läßt es durchaus sportlich angehen. Da der männliche Teil der Holly-Golightly-Hash-Group eh nicht fürs Gehen an sich geboren wurde, gehören wir der entspannten, kleineren Gruppe der „Cruiser“ an, die sozusagen die Nachhut bilden. Den rechten Weg weisen uns am Wegesrand verteilte Zeichen in Form von geschredertem Papier. Ab und an führen diese Zeichen aber auch bewußt in die Irre.

So geht es also über Stock und Stein auf einem abwechslungsreichen Rundkurs ca. 6,5 km querfeldein. Eine Hash ist wirklich eine originelle Art Grenada quasi „backstage“ zu entdecken. Wir wandern an Bächen entlang, über die Kante einer kleinen Staumauer, durch tropischen Wald über Wiesen und Felder, entlang an großen Orchideen und gewaltigen Bäumen. Aus diesem Blickwinkel hätten wir diese bezaubernde tropische Landschaft sonst nie gesehen. Unterwegs kommt man auch mit anderen Schnitzeljägern ins Gespräch. Unter anderem mit einem älteren, netten Herrn, der vor langer Zeit aus Sambia nach Grenada gezogen ist und jahrelang Professor für Veterinär-Medizin an der hiesigen Uni war. Nachdem es eine Weile topografisch nur abwärts ging, erreichen wir einen schönen menschenleeren Strand. Leider gibt es nirgens ein Büdchen mit Kaltgetränken, Pommes oder Eis. Diesbezüglich gibt es noch gewaltiges Potential nach oben – findet der Skipper!

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Das Wandern ist des Professors Lust!
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Immer dem Pfeil nach

Ab dem Strand beginnt der langsame Rückweg zum deutlich höher gelegenenen Start- und Zielort, der auch mal durch Gärten oder Hinterhöfe führt. Die Gewissheit, dass am Ende der Strecke mehrere kalte Bier warten, lässt die zu überwindenden Höhenmeter etwas an Schrecken verlieren. Nach einer Stunde und vierzig Minuten sind wir dann wieder an Start und Ziel. Seltsamer Weise sind wir fast die Letzten, was eigentlich nicht sein kann. Etliche Wandersleut, die hinter uns gestartet sind, uns aber nie überholt haben, sind schon da. Da der gesamte Rundkurs wie eine „8“ angelagt war, vermuten wir, dass der eine oder die andere in der Mitte des Kurses abgekürzt haben. Zu Zeiten der DDR gab es genau dafür eine treffende ironische Redensart: „Überholen ohne Einzuholen.“ Mit dieser Wunderformel sollte der Kapitalismus endgültig abgehängt werden – so ulkte man hinter vorgehaltener sozialistischer Hand!

Die allwissende Apfel-Uhr behauptet, dass wir auch ohne Einzuholen 6,43 km gewandert sind und 592 Kilokalolorien pro Person verbraucht haben! Diesen gewaltigen Energieverlusst gilt es nun wieder zu kompensieren. Ein Stand mit ein paar kleineren Gerichten und kaltem Bier wurde in weiser Voraussicht genau desshalb auf dem „Festgelände“ aufgebaut. Dankbar nehmen wir das Angebot an und entscheiden uns für das günstige Rabatt-Bundle – drei Flaschen Bier pro Person!

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Zahlreiche Zuschauer säumen die Piste
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Kleiner Traumstrand für zwischendurch
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Sportlich, sportlich ...
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... bis zum Feuchtgebiet am Ende der Hash
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Nachdem auch die alllerletzten Wandersleute eingetroffen sind, startet ein weiteres Ritual: Alle Neulinge – also auch wir – werden zum Gruppenfoto gebeten. Immer näher und enger müssen wir zusammenrücken, damit alle aufs Bild passen. Dass sich eine mit Bierflaschen bewaffnete Truppe unauffällig um uns ahnungslose Debütanten und Debütantinnen schart, bemerken wir erst in dem Moment als eine gewaltige Bierdusche auf uns niedergeht!! Alle rundherum lachen sich schlapp und sind begeistert – unsere Begeisterung ist etwas geteilt – aber ein großer Spaß ist es trotzdem.

Eine prächtige Urkunde bestätigt uns offiziell den Verlust unserer Unschuld.

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Duschen auf Grenada – nichts für Warmduscher:innen

Etwas später soll es dann auf den Heimweg gehen. Shademans tapferer Toyota-Bus ist randvoll gefüllt mit verschwitzten oder biergetränkten „Hashern“. Der Start ist jedoch eine echte Herausforderung: Es geht ca. 50 Meter sehr steil bergauf, bevor wir oben angekommen den Kurs sofort rechtwinklig nach rechts ändern müssen, um auf die Hauptstraße zu gelangen. So starten wir also sofort dynamisch durch: Der Motor heult auf, als ob man ihm ohne Beteubung einen Kolbenring amputieren würde, der Bus schießt vorwärts und wir rasen den Anstieg mit Vollgas im 2. Gang hinauf – leider gewinnt die Schwerkraft dieses Kräftemessen knapp und wir bleiben 5 m vor erreichen der Hauptstraße in einem gefühlten Winkel von 45° stehen. Was nun? Alle schauen sich ratlos an. Da offensichtlich keiner schieben will, rollen wir rückwärts in leichten Schlangenlinien zurück auf Anfang. Da nun allen der Ernst der Lage bewußt ist, wird der kleine Toyota-Bus von wilden Anfeuerungsrufen zu neuer Spitzenleistung angetrieben. Pilot Shademan gibt ebenfalls alles und so schießen wir zum zweiten mal mit laut aufheulendem Motor den Hang hinauf und unbekannten Welten entgegen. Da wir vor dem „Einbiegen“ auf die Hauptstraße unmöglich stoppen können, hupt Shademan in einem fort in der Hoffnung, dass der drohende Querverkehr diesen Hilferuf erhört. Sekunden später ist es geschafft, wir machen hupend einen gewaltigen Satz auf die Hauptstraße, schlagen gleichzeitig einen 90 Grad-Haken und sind auf Heimatkurs! Glücklicherweise kreuzte kein Tanklaster oder vollbesetzter Schulbus unseren Kurs. Wieder sind sich alle einig: Nichts ist unmöglich – Toyota!

Ein paar Kilometer weiter stoppen wir dann nochmal an einer sehr netten Bar am Wegesrand und feiern die Erfolge des Tages ausgiebig. Irgendein Vetter oder Cousin Shademans freut sich über den guten Umsatz und wir freuen uns, dass wir alle kleinen Abenteuer des Tages so gut überstanden haben.

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